Proteste im Iran Auswärtiges Amt bestellt iranischen Botschafter ein
Wegen des gewaltsamen Vorgehens von Sicherheitskräften gegen die Protestteilnehmer im Iran hat die Bundesregierung den iranischen Botschafter einbestellt. Das Gespräch soll laut einem Sprecher des Auswärtigen Amts, am Montagnachmittag stattfinden. Zudem betonte er, man werde auf EU-Ebene rasch über alle Optionen einer Reaktion beraten.
Zuvor hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell im Namen der 27 Mitgliedsstaaten erklärt, der unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt gegen gewaltlose Demonstranten im Iran sei nicht zu rechtfertigen und nicht hinnehmbar. Zugleich drohte die EU vage mit möglichen Sanktionen gegen den Iran.
Baerbock: "Angriff auf die Menschheit"
Außenministerin Annalena Baerbock hatte vergangene Woche am Rande ihres Besuches bei der UN-Generalversammlung erklärt, Deutschland werden den Fall Amini vor den UN-Menschenrechtsrat bringen. Wenn Frauen nicht sicher seien, dann sei keine Gesellschaft auf dieser Welt sicher, hatte die Grünen-Politikerin gesagt. "Deswegen ist der brutale Angriff auf die mutigen Frauen im Iran eben auch ein Angriff auf die Menschheit." Der Fall Amini sei ein Bruch mit Frauenrechten und damit eine Verletzung von Menschenrechten durch den Iran.
Der Iran wies die Kritik der EU am Vorgehen gegen die andauernden Proteste im Land zurück. "Das ist Einmischung in die internen Angelegenheiten des Irans und Unterstützung von Krawallmachern", sagte Außenamtssprecher Nasser Kanaani. Der Fall Amini werde derzeit untersucht, aber die EU und der Westen ignorierten diese Tatsache und unterstützten Unruhestifter, die die Sicherheit des Irans gefährdeten.
Weitere Proteste im Iran
Im Iran waren am Wochenende und in der Nacht zu Montag Tausende Menschen gegen das islamische Herrschaftssystem und die systematische Diskriminierung von Frauen auf die Straße gegangen. Lauten Augenzeugen war einer der meist gehörten Slogans der Ruf "Islamische Republik wollen wir nicht, wollen wir nicht".
Die Polizei soll einige Hauptstraßen in Teheran blockiert haben, um eine Ausweitung der Proteste zu verhindern. Auch seien Schüsse zu hören gewesen, unklar sei jedoch, ob in die Luft oder auf Demonstranten. Die Proteste fanden in vielen Landesteilen statt.
Bild: via REUTERS
Proteste auch im Norden Syriens
Aber auch in dem von Kurden kontrollierten nördlichen Teil des Nachbarlandes Syrien haben nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters Hunderte Frauen gegen den Tod der iranisch-kurdischen Amini protestiert. Einige schnitten sich nach Vorbild iranischer Demonstranten die Haare ab und verbrannten ihre Kopftücher.
Regierung blockiert das Internet
Eine massive Internetsperre im Iran hat derweil die Verbreitung von Informationen über die Proteste im Land stark beeinträchtigt. Demonstranten können beispielsweise weniger Videos und Informationen in sozialen Medien posten. Auch die lokale Presse berichtet entweder überhaupt nicht über die Proteste oder sie reflektiert lediglich den Standpunkt der Regierung. Mehrere iranische Reporter wurden nach Angaben des Journalistenverbands wegen ihrer kritischen Berichterstattungen über die Proteste entweder verhaftet oder mit rechtlichen Konsequenzen verängstigt.
Die weitgehende Internetblockade im Iran gefährdet einem Bericht zufolge zudem die Einkommen von mehr als zehn Millionen Menschen. Wie das Nachrichtenportal Tejarat-News berichtete, haben die Einschränkungen gravierende Folgen für die iranische Wirtschaft. Sie führten auch zu großen Verlusten von Unternehmern.
Baerbock fordert neue Sanktionen gegen Iran – Botschafter einbestellt
Nach dem Tod einer 22-Jährigen halten die Proteste im Iran weiter an. Die Polizei geht brutal gegen die Demonstranten vor, nach Behördenangaben wurden mehr als 1200 Menschen festgenommen. Nun erhöht die Bundesregierung den Druck auf Teheran.
Wegen des Vorgehens gegen die Frauen-Proteste hat die Bundesregierung den iranischen Botschafter einbestellt. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts kündigte am Montag in Berlin an, das Gespräch werde am Nachmittag stattfinden. Mit Blick auf Forderungen nach Sanktionen der Europäischen Union gegen den Iran sagte der Sprecher, die Bundesregierung sei dafür, „alle Optionen“ zu prüfen. In der Islamischen Republik halten die Proteste nach dem Tod einer jungen Frau an.
Zuvor hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell im Namen der 27 Mitgliedstaaten erklärt, der unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt gegen gewaltlose Demonstranten im Iran sei nicht zu rechtfertigen und nicht hinnehmbar. Zugleich drohte die EU vage mit möglichen Sanktionen gegen den Iran.
Landesweite Proteste
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„Ohne Radikalisierung schaffen wir vielleicht nie die Wende“
Die 22-jährige Mahsa Amini war vor etwas mehr als einer Woche in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie gegen die strenge islamische Kleiderordnung verstoßen und ihr Kopftuch nicht angemessen getragen haben soll. Wenig später war sie tot. Kurz darauf kam es landesweit zu zahlreichen Protesten, die sich auch allgemein gegen eine Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte im Iran richteten. Dabei kamen Dutzende Menschen ums Leben.
Nach Behördenangaben wurden mehr als 1200 Menschen festgenommen. Einer nicht näher erläuterten offiziellen Bilanz iranischer Behörden zufolge sind seit Beginn der Proteste 41 Menschen getötet worden, darunter Demonstranten und Sicherheitskräfte. Die in Oslo ansässige NGO Iran Human Rights (IHR) berichtete von mindestens 57 getöteten Demonstranten.
Baerbock fordert neue Sanktionen
Außenministerin Annalena Baerbock forderte neue Sanktionen gegen das Land. „Wir werden im EU-Kreis jetzt sehr schnell über weitere Konsequenzen sprechen müssen, dazu gehören für mich auch Sanktionen gegen Verantwortliche“, sagte die Grünen-Politikerin am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
„Der Versuch, jetzt friedliche Proteste mit noch mehr tödlicher Gewalt zu unterdrücken, darf nicht unbeantwortet bleiben“, ergänzte sie. „Frauenrechte sind der Gradmesser für den Zustand einer Gesellschaft. Wenn in einem Land Frauen nicht sicher sind, ist niemand sicher.“
Baerbock hatte vergangene Woche am Rande ihres Besuches bei der UN-Generalversammlung erklärt, Deutschland werde den Fall Amini vor den UN-Menschenrechtsrat bringen.