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Ein Frankfurter gegen das Mullah-Regime

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۰۹ شهریور ۱۴۰۴

Ein Frankfurter gegen das Mullah-Regime

 

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Frankfurter Neue Presse, Donnerstag, 28. August 2025
Ein Frankfurter gegen das Mullah-Regime
Seit mehr als 40 Jahren kämpft Reza Rouchi gegen die Machthaber im Iran
Frankfurt – Am vergangenen Dienstag gingen die Atomverhandlungen mit dem Iran weiter. Warum das auch für Frankfurt relevant ist und welche Auswirkungen der 12-Tage Krieg auf Iraner und Exil-Iraner hatte, darüber sprach Redakteurin Sarah Bernhard mit Reza Rouchi, dem Vorsitzenden der Gesellschaft von Deutsch-Iranern Hessen, der seit 36 Jahren in Frankfurt lebt.
Herr Rouchi, die einen sagen, das iranische Regime sei durch den 12 Tage-Krieg im Juni geschwächt, die anderen sagen, es sei gestärkt daraus hervorgegangen. Was sagen Sie?
Das Mullah-Regime hat schon seit über 30 Jahren keinen Rückhalt innerhalb der iranischen Bevölkerung. Der Krieg hat das nur noch einmal deutlicher gemacht. Wie schlecht die Lage wirklich ist, sieht man unter anderem daran, dass das Regime jetzt plötzlich ans Nationalbewusstsein der Iraner appelliert, obwohl der Begriff „Nation“ vor dem Krieg noch eine negative Bedeutung hatte.
Worum geht es dem Regime, wenn nicht um die Nation?
Die Mullahs erkennen politische Grenzen nicht an. Sie glauben, dass die ganze Welt zu Allah gehört und es ihre Aufgabe ist, sie durch den Wiederaufbau eines islamischen Imperiums darauf vorzubereiten. Dazu brauchen sie Raketen, die Atombombe und ein weltweites Netzwerk. Wenn man das verstanden hat, kann man mit diesem Regime nicht mehr diplomatisch umgehen.
Wie kann es sein, dass es sich trotzdem schon so lange hält?
Nach außen hin wirkt es gesprächsbereit, so dass die Europäer und auch die USA immer eine Beschwichtigungspolitik gefahren haben. Das Motto lautete: Wandel durch Handel. Das war nicht nur naiv, sondern auch fatal, weil es dem Regime enorm viel Zeit verschafft hat, um seinen Einfluss im Nahen Osten auszudehnen, ein weltweites Unterstützer-Netzwerk zu schaffen und natürlich für sein Raketen- und Atomprogramm. Als die Atomverhandlungen Anfang 2004 begannen, lag der Anreicherungsgrad des spaltbaren Materials im Iran bei drei Prozent, heute sind es 60 Prozent. Gleichzeitig war das ein falsches Signal ans iranische Volk. Es gab im Iran schon mehrere Aufstände, aber jedes Mal bekam das Regime Hilfe von außen. Dabei will die iranische Opposition nicht einmal Geld oder Waffen, nur Anerkennung und moralische Unterstützung. Das wäre eine Faust in Gesicht des Regimes. Gott sei Dank geben heute alle deutschen Parteien zu, dass die Beschwichtigungspolitik falsch war.
War der Angriff Israels, der dieser Beschwichtigungspolitik ein Ende bereitet hat, also gut?
Der Wendepunkt war bereits der Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023, weil die Welt damals gesehen hat, wie gefährlich das Mullah-Regime wirklich ist.
Sie meinen, der Iran steckt hinter dem Terroranschlag?
Ein hoher Funktionär der Hamas hat kurz darauf einen Dankesbrief ans Regime geschrieben, weil der Angriff ohne Geld und Waffen aus dem Iran gar nicht möglich gewesen wäre. Solange der Kopf der Schlange in Teheran nicht abgeschlagen wird, wird die ganze Region weiter destabilisiert werden.
Denn je mehr Unruhe in der Region herrscht, desto größer ist die Macht des iranischen Regimes. Aber es hat den 7. Oktober falsch eingeschätzt: Es dachte, so könnte es die Überhand gewinnen. Das Gegenteil ist eingetreten.
Aber die Atomverhandlungen gehen doch weiter. Das spricht nicht für einen Strategiewechsel.
Das ist zwar richtig. Aber nun haben die E3-Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die die Verhandlungen führen, zum ersten Mal, seit die USA 2018 aus dem Atomabkommen ausgetreten ist, wieder Sanktionen angedroht, wenn sich das Regime nicht bis Ende der Woche verpflichtet, sein Atomprogramm transparent darzulegen.
Wie ist aktuell die Lage für die Menschen im Iran?
Die Unzufriedenheit ist in jeder Schicht riesig, sowohl politisch als auch wirtschaftlich, weil zum Beispiel Rentner und Lehrer seit Monaten kein Geld bekommen. Die Menschen leiden unter der Wasserknappheit und Stromausfällen, ein normales Alltagsleben ist für sie kaum noch möglich und das in einem Land, das eigentlich zu den reichsten und wohlhabendsten der Welt gehört. Gleichzeitig sind die Menschen voller Hoffnung, dass sich etwas ändert. Aber die Hinrichtungsmaschine des Regimes läuft und läuft, denn das ist die einzige Möglichkeit der Einschüchterung, die es noch hat. Angesichts der brutalen Vorgehensweise des Regimes ist aber davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl deutlich höher liegt. Gerade trifft es vor allem die Mitglieder der Volksmudschaheddin, eine Gruppierung oppositioneller Iraner, die weltweit viele Unterstützer, aber auch viele Kritiker hat (siehe Infokasten).
Die Menschen haben Angst, dass es wieder zu einem Massaker wie 1988 kommt. Trotzdem lassen sie sich nicht einschüchtern. Interessant ist auch, dass sich Ali Chamenei, der religiöse Führer des Landes, im Vergleich zu vor dem Krieg nur noch ganz selten in der Öffentlichkeit zeigt, weil er Angst hat, dass auch er selbst getötet wird
Laut dem Death Penalty Information Center stieg die Zahl der Hinrichtungen in den ersten vier Monaten des Jahres 2025 um 75 Prozent im Vergleich zu 2024. Ende Juli erklärte Volker Türk, der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, dass offiziell bisher mindestens 612 Menschen hingerichtet wurden.
2024 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 49 Prozent der iranischen Asylanträge ab. Die Gefahr fürs iranische Volk wurde also wohl nicht übermäßig hoch eingeschätzt.
Ich bin Deutschland sehr dankbar, dass es iranischen Flüchtlingen den Schutz bietet, den viele von ihnen brauchen. Aber es ist auch seit zwei Jahrzehnten – und besonders stark seit dem vergangenen Jahr – zu beobachten, dass das Regime Anhänger als Flüchtlinge nach Europa einschleust, um Macht und Einfluss innerhalb der Diaspora auszubauen. Das ist ein massiver Missbrauch des Asylsystems, und es ist sehr schwierig, genau zu unterscheiden, wer in welche Kategorie gehört.
Gibt es solche „falschen Flüchtlinge“ auch in Frankfurt?
Das „Zentrum der Islamischen Kultur“ in Rödelheim, das vor rund einem Jahr geschlossen wurde, war zum Beispiel schon immer eine Anlaufstelle für Hisbollah- und Hamas-Kämpfer. Doch auch danach hat es das Regime noch geschafft, die Solidaritätswelle der in Deutschland und Frankfurt lebenden Exil-Iraner nach den Aufständen 2021/22 zu schwächen. Ich lebe seit 36 Jahren in Frankfurt, aber so was hatte ich noch nie gesehen. Das waren richtige Schlägerbanden, die es auch wirklich geschafft haben, Veranstaltungen zu stören.
Hat das Regime in Deutschland auch außerhalb der Diaspora Einfluss?
Es gibt es ein Netzwerk aus sogenannten Iran-Experten, das in den Medien sehr präsent ist, und zu dem etwa der Politikberater Adnan Tabatabai gehört, die engen Verbindungen zur iranischen Regierung hat. Wenn sie interviewt werden, geben sie sich als Gegner des Regimes aus, lassen am Ende aber einfließen, dass sich der Westen damit abfinden muss, dass das Regime weiterhin fest im Sattel sitzt und es keine Alternative zu Verhandlungen gibt. Dieses Narrativ verschafft dem Regime weiter Zeit.
Wie schaffen Sie es, nach 36 Jahren Kampf aus dem Exil heraus nicht frustriert zu sein?
Wir sehen, wie das Regime das ganze Entgegenkommen nutzt, seine Ideologie verbreitet, seine Gegner tötet. Umso wichtiger ist es, unsere Auffassung in die politische Debatte einzubringen und zu diskutieren.

Seit mehr als 40 Jahren kämpft Reza Rouchi gegen die Machthaber im Iran
„Das iranische Regime verbreitet seine Ideologie. Umso wichtiger ist es, unsere Auffassung in
die politische Debatte einzubringen“, sagt der Wahl-Frankfurter Reza Rouchi. ENRICO SAUDA
Zur Person
Reza Rouchi (62) lebt seit 36 Jahren in Frankfurt und hat sich dem Kampf gegen das iranische Regime verschrieben. Er ist Vorsitzender der Gesellschaft von Deutsch-Iranern Hessen, die knapp100 Mitglieder hat und mit den oppositionellen Volksmudschaheddin Iran (MEK) und deren politischem Arm, dem Nationalen Widerstandsrat Iran (NWRI), assoziiert ist. Dieser tritt für einen demokratischen Iran ein, in dem Staat und Religion getrennt sind. Der Systemwechsel soll durch einen Volksaufstand erreicht werden, weshalb die MEK bis 2009 auf der Europäischen Terrorliste standen. Beide Gruppierungen haben eine wechselvolle Geschichte: 2002 enthüllte der NWRI das geheime Atomprogramm des Iran, andererseits wird den Volksmudschaheddin Sektencharakter vorgeworfen. Viele ihrer Einschätzungen erwiesen sich mittlerweile als korrekt. sab