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Ein totes Pferd sollte man nicht weiter reiten – Reza Pahlavi ist keine Zukunftsoption für den Iran!

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05-06-2024

Ein totes Pferd sollte man nicht weiter reiten – Reza Pahlavi ist keine Zukunftsoption für den Iran!

Zum Kuschelinterview des SPIEGEL mit Reza Pahlavi

Von Dirk Holzhüter

Der Unfalltod des Präsidenten des iranischen Regimes,Ebrahim Raisi, sowie eine weitere Verschärfung der Menschenrechtslage im Iran, der Unterdrückung von Frauen durch neue Hijab- Gesetze und die aktive Beteiligung des iranischen Regimes am Krieg im Nahen Osten haben erneut die Diskussionen im Westen aufkeimen lassen, wie man mit dem iranischen Regime umgehen soll und welche Zukunftsoptionen es gibt.

Die zentrale Frage dabei ist: Wer soll den Iran zur Freiheit führen? Diese Frage ist berechtigt, denn viele Aufstände und Umsturzversuche im Mittleren und Nahen Osten endeten oft in Chaos, Krieg oder einem späteren Wiederaufleben des islamistischen Fundamentalismus, unter anderem in Nordafrika oder in Afghanistan.

Der Westen fokussierte sich lange auf die Illusion, dass ein „moderater Mullah“ wie zum Beispiel Hassan Rouhani das Regime ähnlich reformieren könnte, wie einst Gorbatschow die UDSSR. Doch Rouhani und Co. zeigten ihr wahres Gesicht bei der Niederschlagung der Volksaufstände von 2018 und 2019 oder beim Einsatz vom Terror-Diplomat Assadollah Assadi, der 2018 in Frankreich einen der größten Terroranschläge in Europa plante.

Nach dem Scheitern der Beschwichtigungspolitik gegenüber dem Regime, welches seine Isolation nach dem Zuwenden zu Russland und seinen Aktionen gegen Israel im Westen weiter verstärkt hat, ist die Frage immer dringender geworden, was nun die neue Strategie in Europa sein sollte.

Eine der Optionen, die seitdem immer wieder in der Debatte hochkocht, ist der Sohn des entmachteten Schah-Diktators des Iran, Reza Pahlavi. Dass er nach der Vertreibung durch das iranische Volk 1979 überhaupt als Option gehandelt wird, hat vor allem folgende Gründe:

1.     Manipulation der Geschichte: Der Schah wurde in den westlichen Medien vor seinem Sturz sehr positiv dargestellt. Eine Art Märchen aus 1001 Nacht und ein gewisser royaler Glanz blieben in den Köpfen der Menschen aus einem Land hängen, von dem der Bürger im Westen wenig wusste.

2.     Ablenkung von anderen möglichen Alternativen.

 

Kuschelinterview des SPIEGEL mit Reza Pahlavi

Nun hat der SPIEGEL in Form eines ausführlichen Interviews mit dem Sohn des Schah, der zur Zeit in den USA lebt, diesen wieder ins Licht gerückt. Zuvor hatte das Team um den Schah durch starke Präsenz in den sozialen Medien sowie einem gescheiterten „Neuen Bündnis“ und seinem Besuch in Israel und eine Einladung zur Münchner Sicherheitskonferenz für Schlagzeilen gesorgt.

In dem SPIEGEL-Artikel wird Pahlavi eindeutig in ein gutes Licht gerückt. Eine freundliche und sehr menschlich wirkende Biografie wird abgedruckt, positiv wirkende Bilder werden gezeigt und es werden respektvolle Fragen gestellt. Kritische Fragen finden kaum statt und selbst die Frage zum SAVAK (gefürchteten Geheimdienst des Schahs) wird nur kurz angerissen. Das wirre Frauenbild des Schah, was für viele Diskussionen in den letzten Jahren sorgte, wird zum Beispiel komplett ausgeklammert.

Die Wahrheit sieht leider anders aus. Reza Pahlavi hat in mehreren früheren Interviews mit meist US- Medien ein anderes Bild von sich gezeigt, hinzu kommen klare Fakten am Boden und aus seiner Zeit im Exil.

 

Verschwiegene Fragen

Das SPIEGEL-Interview vertuscht – kaum zu glauben zufällig – Tatsachen, die in keiner Interview-Fragen zum Thema werden:

Keine Stimme der iranischen Bevölkerung: Reza Pahlavi hat weder bei der Entstehung, noch bei der Organisierung oder Leitung der Bürgerproteste im Iran die geringste Rolle gespielt. Keine einzige konkrete Aktivität ist von ihm bekannt. Ihn als „ein Vertreter“ der iranischen Opposition zu propagieren, ist eine reine Täuschung.

Gestohlenes Kapital: Reza Pahlavi und seine Familie leben heute mit dem von seinem Vater dem iranischen Volk ausgepressten Geld in der Höhe von mehreren zig-Milliarden US-Dollar in den USA.

Kontakte zu den Revolutionsgarden: Pahlavi hat einerseits mehrfach in Interviews auf Persisch bestätigt, dass er „die Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) und die Bassidsch-Milizen für seine Rückkehr in den Iran als elementaren Bestandteil der Sicherheit seines Machtanspruchs sieht“ und „sich auf denen stützt“ und im „permanenten Kontakt mit dem IRGC“ steht. Andererseits äußert er sich gegenüber ausländischen Medien auch für die Listung von IRGC als Terrororganisation. Dieses Verhalten kann man als Scharlatanismus bezeichnen. Die IRGC, die in den USA bereits auf der Terrorliste stehen und dessen Listung derzeit in Europa angedacht ist, ist für die Niederschlagung sämtlicher Aufstände im Iran verantwortlich. Sie ist der Hauptfaktor für den Tod Hunderter Kinder, Frauen und Männer bei dem aktuellen Aufstand im Iran.

Kein Respekt für Wahlrecht: Das iranische Volk hat eine sehr bittere Erfahrung mit der Februarrevolution von 1979 gemacht, die zum Sturz des Schahs und zum Aufstieg Chomeinis führte. Damals versprach Chomeini in Paris, dass er, wenn er in den Iran kommt, um keinen Posten bittet und als ein Priester nach Ghom (Zentrum der Kleriker) gehen werde. Alles werde durch die Wahl der Menschen geschehen, so Chomeini damals. Es ist allgemein bekannt, dass er, nachdem  er im Iran ankam, nie die Macht aufgab und dem Volk seine Art vom Regieren – also eine religiöse Diktatur – aufzwang. Und jetzt spricht auch Reza Pahlavi über ein zukünftiges Referendum , während er in der Vergangenheit gekrönt wurde, den Königseid leistete und diesen Eid nie zurücknahm. Auf seiner Website hat er auch bereits seine Nachfolger in der Dynastie vorgestellt. Dies ist ein offensichtlicher Widerspruch.

Keine Distanzierung von Pahlavis Verbrechen: Er sieht sich als Fortsetzung der Pahlavi-Dynastie, die für viele Massaker im Iran verantwortlich ist, unter anderem Tötung von Demonstranten und religiösen und ethnischen Minderheiten sowie von politischen Gefangenen. Die Verbrechen des berüchtigten Shah-Geheimdienstes SAVAK sind bekannt. Reza Pahlavi hat sich nie öffentlich von diesen Verbrechen distanziert, umgekehrt ist das der Fall. Die autokratische Monarchie im Iran wurde 1979 von der Mehrheit der iranischen Bevölkerung abgelehnt. Aus diesem Grund hat die Revolution im Iran stattgefunden. Aber Reza Pahlavi hat nie gegen den SAVAK Stellung bezogen oder ihn im Geringsten kritisiert.

 

Reza Pahlavi ist keine Alternative!

Das Votum über die Zukunft des Iran trifft das iranische Volk. Es hat in seinen Volksaufständen seit 2017 den berühmten Slogan: „Nieder mit der Diktatur, sei es der Mullah oder der Schah“ überall auf den Straßen geäußert. Das iranische Volk hat in seinen Aufständen, bei denen Tausende Menschen starben oder gefoltert wurden, niemals die Rückkehr des Schahs gefordert, sondern ein Ende des ganzen Regimes sowie einen demokratischen und säkularen Staat, in dem eine Trennung von Kirche und Staat oberstes Prinzip ist.

Die Fakten am Boden bei dem Volksaufstand von 2022 sahen eher so aus, dass ein breites Bündnis aus Freunden der Demokratie, ethnischen Volksgruppen und enttäuschten Jugendlichen und Bürgern, die schlimme wirtschaftliche Nöte und andere soziale Unterdrückung erfahren haben, die Vergangenheit des Iran ein für alle Mal hinter sich lassen wollten. Sie wollen die vielen Jahre der Geschichte der Diktaturen im Iran ein für alle Mal beenden und selbstbestimmt ihren Weg gehen.

Reza Pahlavi gehört nicht zu diesem Weg. Ihn weiter in das Rampenlicht zu rücken, ist ähnlich nutzlos, wie die klerikale Diktatur zu beschwichtigen. Es missachtet nur den Wunsch des eigenen Volkes nach Freiheit und Demokratie und verschweigt mögliche Alternativen, die sie auf diesem Weg besser und organisierter begleiten können.