Regime in Teheran setzt oppositionelle Iraner in Deutschland verstärkt unter Druck
Verfassungsschutz: Mehr Hinweise in vergangenen Monaten
Oppositionsgruppe: Mehr als 100 Fälle in diesem Jahr
Berlin, 20. Nov (Reuters) - Iranische Gegner der Regierung in Teheran sind in Deutschland in den vergangenen Monaten zunehmenden Schikanen durch iranische Sicherheitsdienste ausgesetzt. Darauf deuten Aussagen des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) und iranischer Oppositioneller gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters hin. Seit Februar 2024 gebe es beim BfV ein Hinweistelefon für das Thema Spionage und Transnationale Repression, hieß es beim Verfassungsschutz. "In den vergangenen Monaten sind dort verstärkt Meldungen im Zusammenhang mit dem Iran eingegangen." Detaillierte Zahlen will das BfV aber nicht nennen.
Die Bekämpfung oppositioneller Gruppierungen und Einzelpersonen im In- und Ausland bilde einen Schwerpunkt iranischer nachrichtendienstlicher Aktivitäten, heißt es bei deutschen Sicherheitsbehörden weiter. Für die Machthaber Irans gelten solche Gruppierungen als Gefährdung für den Fortbestand des Regimes. Die Bearbeitung illegaler nachrichtendienstlicher Aktivitäten Irans in Deutschland stelle daher für das BfV einen Arbeitsschwerpunkt als Abwehrdienst dar.
Schon früher berichteten deutsche Geheimdienste regelmäßig über iranischen Druck und Spionage gegen Exilgruppen in Deutschland. Im Jahresbericht des Verfassungsschutzes 2024 wird die Gefahr als weiterhin hoch eingestuft. Das iranische Außenministerium reagierte nicht sofort auf eine Anfrage nach einer Stellungnahme.
"Die zahlreichen Berichte, die wir insbesondere im vergangenen Jahr aus verschiedenen Teilen Deutschlands erhalten haben, bestätigen eine beispiellose Intensivierung der Aktivitäten der Geheimdienste des iranischen Regimes in Deutschland", sagte auch Javad Dabiran, Sprecher des Nationalen Widerstandsrats Iran (NWRI), einer Oppositionsgruppe mit starker Präsenz außerhalb des Iran, zu Reuters.
Er sagte, ihm seien seit Jahresbeginn mehr als 100 Fälle bekannt. In fast allen Fällen hätten die iranischen Geheimdienste versucht, Druck auf die von ihnen kontaktierten Personen auszuüben, damit diese Informationen über andere iranische Exilanten preisgeben.
Der im Iran verbotene NWRI führte eine Reihe von Fällen an, in denen seine eigenen Mitglieder in Deutschland der deutschen Polizei gemeldet hätten, dass sie schikaniert worden seien. In einem Fall schilderte ein 40-jähriger iranischer Christ aus Essen, dass seine Schwester und sein Bruder im Iran von den Geheimdiensten kontaktiert und bedroht worden seien, nachdem er im September an einer Demonstration in Brüssel teilgenommen hatte. In einem anderen Fall wurde der Fall eines Unterstützers in Köln angeführt, dessen Eltern im Iran bedroht worden seien, um sie zu zwingen, ihren Sohn dazu zu bringen, die Bewegung zu verlassen und den Geheimdiensten Informationen zu liefern.
Der Druck iranischer Geheimdienste auf Flüchtlinge oder im Ausland lebende Iraner ist kein allein deutsches Phänomen. Im vergangenen Monat verwies auch der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Menschenrechte auf ein "zunehmendes Muster transnationaler Repression" durch iranische Behörden, die Dissidenten im Ausland durch "Einschüchterung, Überwachung und Drohungen" ins Visier nähmen.
Auch innerhalb des Iran berichten Menschenrechtsgruppen und Aktivisten von einem harten Vorgehen gegen politische Gegner, mit zahlreichen Fällen von Schikanen, Inhaftierungen und anderen Formen von Druck - insbesondere seit den israelisch-amerikanischen Luftangriffen im Juni, die einen Großteil der iranischen Luftabwehrkapazitäten zerstört haben. (Bericht von Andreas Rinke, James Mackenzie; redigiert von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)